Der neue „Bauturbo“ von Bundesbauministerin Verena Hubertz soll Planungsverfahren beschleunigen und mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen. Der Bundesrat hat dem Gesetz zugestimmt. Ziel ist es, Bauprozesse zu vereinfachen, Genehmigungen schneller zu erteilen und die Kommunen zu entlasten. Doch in der Baubranche und bei den Städten in Mitteldeutschland stößt das Vorhaben auf gemischte Reaktionen.
Inhaltsverzeichnis:
- Tim-Oliver Müller warnt vor zu hohen Erwartungen
- Felix Pakleppa fordert mehr Spielraum beim Bauen
- Sächsischer Städte- und Gemeindetag sieht Chancen
- Leipzig arbeitet an einem Masterplan
- Weitere Schritte notwendig
Tim-Oliver Müller warnt vor zu hohen Erwartungen
Der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, Tim-Oliver Müller, sieht im „Bauturbo“ keinen umfassenden Durchbruch. Er betont, dass das Gesetz lediglich die Bauplanung beschleunigt, nicht aber den eigentlichen Bau oder die Kosten senkt. Städte und Gemeinden sollen flexibler bei der Aufstellung von Bebauungsplänen und bei der Genehmigung von Projekten im Bereich der Nachverdichtung und Aufstockung werden.
Müller erklärt, dass die Baukosten auf absehbare Zeit nicht sinken werden. Material und Arbeitskräfte bleiben teuer. Daher fordert er zusätzliche politische Unterstützung in Form von Förderprogrammen, einer stärkeren Digitalisierung der Verwaltungsprozesse und weniger Bürokratie.
Felix Pakleppa fordert mehr Spielraum beim Bauen
Felix Pakleppa vom Zentralverband des Deutschen Baugewerbes stimmt seinem Kollegen zu. Er verlangt, dass die Bauvorschriften an die Realität angepasst werden. Derzeit werde zu oft nach dem sogenannten Goldstandard gebaut, was Bauvorhaben unnötig verteuere.
Er nennt ein konkretes Beispiel:
- In Deutschland ist die Decke eines Einfamilienhauses meist 24 Zentimeter dick.
- In den Niederlanden beträgt die Dicke oft nur 18 Zentimeter.
Pakleppa fordert, dass Bauherren selbst entscheiden dürfen, ob sie 18, 20 oder 24 Zentimeter bevorzugen. Diese Flexibilität müsse gesetzlich abgesichert sein.
Sein Ziel ist es, Bauprojekte einfacher, schneller und kostengünstiger zu machen, ohne die Sicherheit zu gefährden.
Sächsischer Städte- und Gemeindetag sieht Chancen
In Sachsen bewertet der Sächsische Städte- und Gemeindetag den „Bauturbo“ grundsätzlich positiv. Zwar werde das Gesetz nicht überall angewendet, doch erste Kommunen hätten bereits Interesse signalisiert. Besonders Städte mit wachsender Bevölkerung könnten profitieren.
Auch der Gemeinde- und Städtebund in Thüringen nennt das Gesetz einen ersten wichtigen Schritt. Er fordert jedoch weitere Gesetzesänderungen, um Kommunen Vorkaufsrechte für städtebauliche Projekte einzuräumen. So könnten Gemeinden gezielter auf die Entwicklung von Wohngebieten einwirken und langfristig planen.
Eine Liste der erwarteten Vorteile für die Kommunen:
- Schnellere Genehmigungsverfahren
- Flexiblere Nutzung von Bauflächen
- Reduzierte Bürokratie
- Verbesserte Steuerungsmöglichkeiten beim Stadtumbau
Leipzig arbeitet an einem Masterplan
Leipzig steht derzeit vor einem der angespanntesten Wohnungsmärkte in Mitteldeutschland. Baubürgermeister Thomas Dienberg kündigte an, dass die Stadt an einem Masterplan für beschleunigten Wohnungsbau arbeitet. Ziel ist es, Bauprozesse effizienter zu gestalten, ohne dabei Beteiligungsverfahren zu vernachlässigen.
Dienberg warnt jedoch, dass durch die Abschaffung von Bebauungsplänen politische Mitbestimmung und Bürgerbeteiligung geschwächt werden könnten. Wenn Genehmigungen innerhalb von drei Monaten erteilt werden, könnten Konflikte kaum noch ausgetragen werden. Dies belaste auch die Verwaltungen, die schon jetzt stark beansprucht sind.
Mehrere Städte, darunter Leipzig, befürchten deshalb zusätzliche Unsicherheiten für Investoren. Verfahren könnten dadurch sogar komplexer werden, statt einfacher.
Weitere Schritte notwendig
Sowohl Kommunen als auch Bauwirtschaft bewerten den „Bauturbo“ als sinnvollen Anfang, aber nicht als vollständige Lösung. Die Herausforderungen im Wohnungsbau bleiben bestehen. Steigende Baukosten, Fachkräftemangel und bürokratische Hürden müssen weiter abgebaut werden.
Um die Ziele des Gesetzes zu erreichen, verlangen Experten:
- Langfristige Förderzusagen der Bundesregierung
- Ausbau digitaler Verwaltungsverfahren
- Klare rechtliche Rahmenbedingungen für Bauherren
- Realistische Standards im Wohnbau
Nur mit einer Kombination aus diesen Maßnahmen kann der Wohnungsbau in Deutschland nachhaltig beschleunigt werden.
Quelle: MDR, www.welt.sn2world.com