In Leipzig fehlen aktuell rund 20.000 Wohnungen. Dies ergab eine Untersuchung des Pestel-Instituts. Der sogenannte Gebäudetyp E könnte zur Entlastung beitragen. Sachsen hat 2024 seine Bauordnung angepasst, um solche Projekte zu ermöglichen. Doch bislang kommt die Umsetzung nur schleppend voran.
Inhaltsverzeichnis:
- Andreas Wohlfarth und die Herausforderungen heutiger Baustandards
- Pilotprojekt in Dresden – BUWOG setzt auf reduzierte Standards
- Akzeptanz unter jungen Mietern – Befragung liefert Einblicke
- Haftungsfragen und Versicherungsschutz als größte Hürde
Andreas Wohlfarth und die Herausforderungen heutiger Baustandards
Andreas Wohlfarth von der Architektenkammer Sachsen erklärt, dass heutige Baustandards Baukosten deutlich erhöhen. Im Gegensatz zu früher, als mit Naturstein, Vollholz und Putz gearbeitet wurde, müssen heute zahlreiche moderne Materialien eingesetzt werden. Dazu gehören:
- Hochlochziegel, Stahlbeton, Kalksandstein
- Dämmstoffe wie Polystyrol oder Mineralwolle
- Haustechnik mit vielen Vorschriften
Für alle Bauteile gelten Normen, Verordnungen und Fachregeln. Diese steigern die Kosten und erschweren bezahlbares Bauen. Der Gebäudetyp E entstand als Reaktion darauf. Die Initiative der Bayerischen Architektenkammer will überzogene Standards bewusst umgehen.
Pilotprojekt in Dresden – BUWOG setzt auf reduzierte Standards
Die BUWOG Bauträger GmbH realisierte ein Projekt in Dresden mit 134 Wohnungen und 3 Gewerbeeinheiten nach Prinzipien des Gebäudetyp E. Die Gebäude sind in Schottenbauweise errichtet. Der Abstand zwischen tragenden Wänden beträgt 6,50 m.
Die wichtigsten Merkmale dieses Projekts:
- Nur Strom- und Kaltwasserleitungen in den Wohnungen
- Dezentrale Warmwasserbereitung mit elektrischen Durchlauferhitzern
- Reduzierte Haustechnik und einfache Bauweise
- Keine durchgehende Umsetzung der DIN-Norm 18040-2
Die Baukosten betrugen rund 2.000 Euro pro m². Einsparungen von bis zu 23 % konnten erzielt werden durch:
- 8 % Optimierung der Gebäudestruktur
- 6 % Schottenbauweise
- 6 % vereinfachte Haustechnik
- 3 % einfache Detaillierung
Ein vergleichbares Großprojekt mit 1.500 Wohnungen am Bayerischen Bahnhof in Leipzig ist bereits in Planung.
Akzeptanz unter jungen Mietern – Befragung liefert Einblicke
Eine Umfrage unter rund 200 jungen Menschen zwischen 18 und 25 Jahren ergab hohe Akzeptanz für reduzierte Baustandards. Vorausgesetzt, die Kaltmiete liegt 3 bis 4 Euro pro m² unter dem ortsüblichen Niveau.
Akzeptable Einsparungen laut Umfrage:
- Weniger Steckdosen
- Einfaches Treppenhaus
- Geringerer Schallschutz
Weniger akzeptabel sind:
- Fehlen eines Kellers
- Kein Balkon
- Keine Badtemperaturregelung
Nur etwa 25 % der Befragten lehnten ein solches Wohnkonzept grundsätzlich ab. Die Ergebnisse zeigen: Preisbewusstsein kann über Komfortbedürfnis dominieren – bis zu einem gewissen Grad.
Haftungsfragen und Versicherungsschutz als größte Hürde
Ohne klare vertragliche Regelungen kann bei Gebäudetyp E der Versicherungsschutz entfallen. Dies betrifft vor allem sicherheitsrelevante Bauteile wie Statik und Abdichtungen.
Richard Schwirtz von der Versicherung Euromaf rät zu frühzeitiger Kommunikation mit Versicherern. Alle Abweichungen müssen dokumentiert und im Vertrag festgehalten werden. Nur so lässt sich Rechtssicherheit für alle Beteiligten schaffen.
Weitere Entwicklungen sind geplant:
- Erstellung einheitlicher Musterverträge
- Orientierung an dem sogenannten Hamburger Standard
- Einführung digitaler Genehmigungsverfahren
Gebäudetyp E ist keine starre Bauanleitung. Vielmehr soll er neue Wege aufzeigen und kreatives sowie kostengünstiges Bauen ermöglichen. Auch wenn rechtliche Unsicherheiten bestehen, zeigt die Praxis, dass eine neue Denkweise im Wohnbau nötig und möglich ist.
Quelle: Leipziger Zeitung