In Leipzig sorgt die neue Grundsteuerregelung weiterhin für massive Irritationen. Besonders betroffen ist eine Garagengemeinschaft in Connewitz, deren Steuerlast sich auf das Dreizehnfache erhöht hat. Die Änderungen treffen Eigentümer unverhältnismäßig stark – mit schwerwiegenden finanziellen Folgen.
Inhaltsverzeichnis:
- Enrico Taubert hinterfragt Grundsteuerbescheid
- Bodenrichtwert und Flächennutzungsplan als Hauptgründe
- Sachsen wählt eigenes Modell – mit Nebenwirkungen
- Folgen für soziale Strukturen in Leipzig
Enrico Taubert hinterfragt Grundsteuerbescheid
Am 25. Juni stellte Enrico Taubert, Vorsitzender der Garagengemeinschaft in der Ernestistraße 30, im Stadtrat eine offizielle Anfrage zur drastisch erhöhten Steuer. Der Grund: Ein Grundstück, auf dem seit Jahrzehnten einfache Garagen stehen, wurde plötzlich mit einem Marktwert von 270.000 Euro bewertet. Die Betroffenen verstehen die Berechnungsgrundlage nicht. Zudem wurde ihnen mitgeteilt, dass die Stadt Leipzig nicht zuständig sei, sondern das Finanzamt – doch dort hatte man sie wiederum an die Stadt verwiesen.
Dirk Franke, selbst Garagenbesitzer und Connewitzer, berichtete von einer Verdopplung seiner Grundsteuer für das Wohnhaus. Ihn trifft die Entscheidung doppelt. Sachsen hat sich gegen das Bundesmodell entschieden und nutzt eine eigene Berechnungsgrundlage. Dadurch werden nicht zu Wohnzwecken genutzte Gebäude doppelt so hoch besteuert. Für Franke fühlt sich die Entwicklung wie ein Verdrängungsprozess an – der soziale Zusammenhalt im Viertel steht auf dem Spiel.
Bodenrichtwert und Flächennutzungsplan als Hauptgründe
Ein zentraler Faktor für den Anstieg ist der sogenannte Bodenrichtwert, der nun die veralteten Einheitswerte ersetzt. Laut Stadtkämmerei wird das betroffene Grundstück im Flächennutzungsplan als Wohnbaufläche geführt. Das bedeutet: Es gelten die Bodenrichtwerte für Wohnbebauung – auch wenn dort aktuell nur Garagen stehen. Theoretisch könnte auf dem Gelände ein Wohnhaus entstehen, was den Wert entsprechend steigen lässt.
Für die Garagengemeinschaft ist das allerdings keine realistische Option. Sie nutzt das Areal nicht zu Wohnzwecken. Dennoch werden genau diese Werte zur Steuerberechnung herangezogen. Damit entsteht ein Paradoxon: Der theoretische Nutzen wird höher gewichtet als die tatsächliche Nutzung. Eine Änderung des Flächennutzungsplans ist laut Stadtrat jedoch unwahrscheinlich.
Sachsen wählt eigenes Modell – mit Nebenwirkungen
Sachsen hat sich beim Thema Grundsteuer gegen das Bundesmodell entschieden. Die Konsequenz: Für Gebäude ohne Wohnnutzung wurde der Steuermessbetrag verdoppelt. Diese Entscheidung belastet zahlreiche Eigentümer zusätzlich, auch wenn sie ihre Grundstücke seit Jahrzehnten unverändert nutzen. Die Garagengemeinschaft ist hier kein Einzelfall.
Weitere Effekte sind bereits spürbar. In vielen Teilen Connewitz, darunter auch an der Ernestistraße, kam es zu deutlichen Mietsteigerungen. Die Preise für Grundstücke sind in den letzten Jahren rapide gestiegen. Diese Entwicklung führte dazu, dass Normalverdiener zunehmend aus dem Stadtteil verdrängt wurden. Finanzbürgermeister Torsten Bonew betonte jedoch, dass die Milieuschutzsatzung mit den Steuerwerten nichts zu tun habe.
Folgen für soziale Strukturen in Leipzig
Die neue Grundsteuerregelung trifft nicht nur Investoren oder große Eigentümer. Sie betrifft vor allem diejenigen, die jahrzehntelang auf beständigen Strukturen bauten. Ob Mieter, Garagenpächter oder Eigenheimbesitzer – viele geraten nun unter Druck. Enrico Taubert fühlte sich nach den Erläuterungen aus dem Rathaus kaum beruhigt.
Die Verunsicherung bleibt. Der Fall der Garagengemeinschaft zeigt, wie tiefgreifend sich Änderungen auf lokaler und landespolitischer Ebene auswirken können. Leipzig erlebt in Teilen eine beschleunigte Gentrifizierung. Grundstücke werden zur Spekulationsware, während viele der ursprünglichen Bewohner sich das Leben im Viertel nicht mehr leisten können.
Zentrale Fakten im Überblick:
Steuer für Garagen in Connewitz hat sich teilweise verdreizehnfacht.
Grund: Bodenrichtwert statt veralteter Einheitswert – und Sonderregelung Sachsens.
Garagengrundstück ist offiziell Wohnbaufläche – daher hohe Bewertung.
Betroffene fühlen sich verdrängt, eine Änderung des Plans ist unwahrscheinlich.
Gentrifizierungsdruck in Connewitz wächst weiter.
Die Diskussion im Stadtrat hat den Fokus auf ein strukturelles Problem gelenkt. Klar ist: Eine Anpassung der Politik an soziale Realitäten ist dringlicher denn je.
Quelle: Leipziger Zeitung